Lactoferrin als Antioxidans

Die positive Wirkung, die Lactoferrin auf den Immunstatus eines Menschen hat, wurde in vorherigen Beiträgen bereits besprochen (Lactoferrin und die angeborene Immunantwort, Lactoferrin in der Virenabwehr). Dieser Effekt basiert auf den antioxidativen und antimikrobiellen Eigenschaften von Lactoferrin. Die Rolle von Lactoferrin als direktes und indirektes Antioxidans soll hier noch einmal dargestellt werden.
Freie Radikale entstehen im Körper bei verschiedensten Stoffwechselprozessen und werden in der Regel schnell und zuverlässig wieder neutralisiert. Auch unter körperlicher Belastung, unter Stress oder unter dem Einfluss von Umweltfaktoren wie Zigarettenrauch, Umweltgiften oder UV-Strahlung, entstehen viele freie Radikale. Immunzellen produzieren freie Radikale zur gezielten Infektabwehr. 
Werden diese Zustände beendet, werden auch die freien Radikalen wieder eliminiert. Werden zu lange zu viele freie Radikale gebildet oder aber gibt es Probleme bei der Neutralisierung können sie körpereigene Zellen angreifen und schädigen. Diese Dysbalance wird auch als oxidativer Stress bezeichnet.
Dies kann langfristig  zu vorzeitiger Alterung oder auch verschiedensten Krankheitsbildern und chronischen Entzündungen führen [1]. Letztendlich gibt es kaum eine Krankheit, bei der oxidativer Stress und der Schaden durch Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) keine Rolle spielt. [2-4]
Bei der Entstehung von freien Radikalen spielen Metalle, insbesondere Eisen eine zentrale Rolle, d.h. viele freies Eisen bietet eine potentielle Voraussetzung für die verstärkte Bildung von freien Radikalen, insbesondere in den Zellwänden [5]. 
Bei dieser Reaktionssequenz handelt es sich um die eisenkatalysierte Haber-Weiss-Reaktion, bei der die relativ harmlosen Sauerstoffprodukte, Superoxid und Wasserstoffperoxid in das hoch aggressive Hydroxylradikal umgewandelt werden. Lactoferrin hat die Fähigkeit, der Haber-Weiss-Reaktion entgegen zu wirken [6]. 
Lactoferrin ist auf mehreren Ebenen ein sehr potenzielles Antioxidans.
Bei der sogenannten Fenton-Reaktion, der 2. Stufe der Haber-Weiss-Reaktion wird zweiwertiges in dreiwertiges Eisen umgewandelt. Hier entstehen große Mengen an freien Radikalen, die einen programmierten Zelltod auslösen können (Apoptose). Die Anwesenheit eines Eisenchelators, eines eisenbindenden Stoffes, kann diesen Prozess herunterregulieren.
Durch die Bindung von katalytischem Eisen in Körperflüssigkeiten und entzündeten Bereichen wirkt Lactoferrin so eiseninduziertem oxidativen Stress entgegen und schützt die Zellen so davor, Schaden zu nehmen oder sogar den Zelltod zu sterben (mehr dazu auch in unserem Beitrag Bessere Regulation bei Störungen des Eisenhaushaltes).
Zusätzlich wirkt Lactoferrin indirekt durch die Bindung von bakteriellen Zellbestandteilen und Toxinen, wodurch eine unnötige antibakterielle Aktivität von Immunzellen (Makrophagen) verhindert wird, was ebenfalls eine bedeutende Quelle freier Radikale ist. 
In einer kleineren Studie von Mulder et al. aus 2008 wurden die Effekte der Gabe von oralem Lactoferrin auf immunologische und antioxidative Messparameter untersucht [7]. Acht gesunde männliche Probanden bekamen über einen Zeitraum von drei Wochen zunächst ein Placebo verabreicht und danach Lactoferrin in zwei unterschiedliche Dosierungen (1. Woche: 100mg, 2. Woche: 200 mg). Bezüglich der antioxidativen Kapazität gab es eine signifikante Verbesserung nach zwei Wochen. Als Messparameter diente hier die Absorptionskapazität für Sauerstoffradikale im Blut (Oxygen radical absorbance capacity).
Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl bedürfen die Ergebnisse dieser Studie weiterer Bestätigung in größeren, randomisierten Studien, jedoch lässt sich, der Schlussfolgerung der Autoren nach, vermuten, dass die orale Gabe von Lactoferrin auch bei Krankheiten, in deren Ätiologie oxidativer Stress und Entzündung eine Rolle spielen, eine entscheidende unterstützende Funktion einnehmen könnte.